Warum Veganer keine Kondome benutzen dürfen

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Nichts freut einen Veganer mehr als die ständig auftauchenden Artikel mit den Titeln: „Veganer aufgepasst!!! Folgende Konsumgüter sind gar nicht vegan!!! Die dürft ihr nicht benutzen!!!“ Hinter der scheinheilig freundlichen Aufklärungsarbeit steckt jedoch in 99 Prozent der Fälle kein besorgter Veganer, der seine Mitbürger in ihrem veganen Leben unterstützen möchte, sondern irgendein frustrierter Journalist, der in seinem Büro sitzt und sich überlegt: „Wen kann ich heute ärgern? Wie bekomme ich mehr Klicks auf einen Artikel. Oh ja! Ich schreibe einen Artikel für Fleischesser, in dem ich aufzeige, was denn alles nicht vegan ist, um zu beweisen, dass alle Veganer Heuchler sind. Denn niemand ist 100 Prozent vegan, also springt in euren mit Milch gefüllten Pool, packt den Grill voll mit Würstchen und wischt euch mit Lederklopapier den Hintern ab, denn Veganer sind so radikal, dass Sie sogar ihr Leben in Gefahr bringen müssen, wenn sie es auch ernst meinen mit ihrer Lebensweise.“

So dachte sich jetzt auch das Zeit Magazin ausgerechnet zum Weltvegantag: „Was sollen wir dazu schreiben? Wie Veganer versuchen, mit ihrem Handeln das Leiden von Tieren zu reduzieren? Wie sich vegan sein aufs Klima auswirkt? Wie vegan sein der eigenen Gesundheit hilft?“ Nein! Die gleiche Zeitung, die erst im letzten Jahr den großartigen Artikel von Bernd Ulrich publiziert hatte, in dem er von seinem veganen Leben schreibt titelt jetzt: „Wie tierfrei ist eigentlich Ihre Banane?“ Und schreibt einen Artikel mit 12 Dingen, die überraschenderweise gar nicht vegan sind. In die Liste geschafft haben es hierbei nicht nur Genussmittel wie Wein oder Apfelschorle, sondern auch Kondome, Zahnpasta und Smartphones. Und somit wird zur Freude des überzeugten Fleischessers mal wieder betont: „Alle Veganer sind verrückt und radikal.“ Aber nicht nur deswegen habe ich mit dieser Art von Artikeln ein Riesenproblem:

Was darf überhaupt ein Veganer?

Diese ganz eindeutig „nicht-veganen“ Autoren haben sich noch nie wirklich mit der Definition von vegan sein auseinandergesetzt. Dabei hätte es nur eine Minute ihrer wertvollen Recherchearbeit gebraucht, um „Vegan Definition“ bei Google einzugeben. Doch dieser Arbeitsschritt wird übersprungen stattdessen finden sie es unterhaltend, absolut absurde Aussagen darüber zu machen, was denn ein Veganer zu konsumieren hat und was nicht. Folglich liest man auch in den Kommentaren unter dem Artikel Witze über Veganer, dass sie sich ja die Kondome selbst häkeln können oder einfach gar keinen Sex haben sollen, weil sie ja in so vielen Dingen enthaltsam seien. Für alle die wirklich glauben, dass ein Veganer der Kondome benutzt kein Veganer ist hier die Definition, was überhaupt vegan sein bedeutet:

Vegansim is a way of living which seeks to exclude, as far as is possible and practicable, all forms of exploitation of, and cruelty to, animals for food, clothing or any other purpose.“

Wie „The Vegan Society“ so wundervoll in einem Satz zusammenfasst, sollte ein Veganer also nicht „koste es, was es wolle“ auf alle tierischen Produkte verzichten, sondern soweit es ihm als Individuum möglich ist. Jemand der nicht vegane Medikamente zu sich nehmen muss, ist deswegen nicht weniger vegan, solange er in dem Bereich auf den er wirklich Einfluss hat auf tierisches Leid verzichtet. Der Artikel der Zeit sagt zwar, dass es bei Kondomen auch vegane Alternativen mit Distelextrakt gibt, doch zum einen wird es nicht für jeden möglich sein Zugang zu diesen zu haben und zum anderen wird das nicht-vegane Casein beim Herstellungsprozess benutzt, sodass es auf der Packung selbst überhaupt nicht ersichtlich ist, welche Kondome vegan hergestellt wurden und welche nicht. Und ich denke, dass es selbst einen Veganer mehr befriedigt beim Geschlechtsverkehr vor Krankheiten geschützt zu sein, anstatt auf das Kondom zu verzichten. Niemanden macht es weniger vegan sich vor HIV, HPV, Chlamydien und Co zu schützen und ich kann nicht glauben, dass ich das hier wirklich betonen muss.

Niemand ist vegan also sollte man es auch gleich lassen

Wie so viele andere Artikel dieser Art betont dieser Artikel mal wieder: Niemand ist 100 Prozent vegan, also kann man es auch gleich sein lassen. Das Lieblingsargument von Fleischessern: „Ach du bist vegan? Nein bist du gar nicht! Denn Avocados sind nicht vegan und Bananen auch nicht und in dem Brot können Spuren von Butter sein!!! Also ist es alles sinnlos, was du tust und ich kann weiter bedenkenlos auf meinem Mettbrötchen rumkauen.“ Dieses entweder weiß oder schwarz Bild ist nicht nur falsch, sondern spricht uns Verbrauchern auch die Fähigkeit ab, mit unseren Kaufentscheidungen das Angebot zu regeln und zu beeinflussen. Denn es geht nicht darum perfekt zu sein. Es geht nicht darum etwas 100 Prozent zu machen. Es ist verdammt schwierig, wenn nicht sogar unmöglich zu 100 Prozent vegan zu sein aber das heißt nicht, dass man es dann sein lassen soll. Denn schon die 99 Prozent sind verdammt gut und selbst wenn es nur 50 Prozent sind, ist es trotzdem besser als nichts! Ja wer Millionär ist und wirklich bei allen Dingen darauf achten kann, dass diese auch vegan sind: super! Aber wenn du das nicht kannst, wenn du nicht die Zeit, das Geld, die Möglichkeit hast alles in vegan zu kaufen dann mach halt einfach das, was für dich möglich und umsetzbar ist. Dein Auto hat Ledersitze? Das ist OK. Du bist dir nicht sicher, ob deine Turnschuhe keine tierischen Bestandteile haben? Das ist OK! Du benutzt ein normales Kondom, weil du dich vor einer Vielzahl gefährlicher Krankheiten schützen möchtest? Bitte mach das!!!! Du bist trotzdem vegan. Du tust, was du kannst. Was für dich möglich ist. Solche Artikel zu schreiben und Menschen zu erzählen, dass sie als Veganer kein Smartphone besitzen dürfen sind einfach lächerlich!

Es werden gefährliche Empfehlungen ausgesprochen

Und was ist mit den Menschen, die vegan sein möchten und sich so etwas tatsächlich zu Herzen nehmen? Die sich beeinflussen lassen von so einem Leitmedium? Die vegane Bewegung ist jung. In der Regel unter 30 und es gibt mehr und mehr Minderjährige, die sich für ein veganes Leben entscheiden. In meinem Teenager-Dasein habe ich noch vom Kommunismus als Weltideologie geträumt und wollte auf einer einsamen Insel eine solche Aussteiger Community bilden. Teenager denken gerne übertrieben, wenn sie von etwas überzeugt sind. Wenn ich Artikel über essenzielle Produkte lese, die gar nicht vegan sind, muss ich mir immer einen Teenager vorstellen, der es zu seinem Ziel gemacht hat ein veganes Leben zu führen. Und da erzählt ihm die Zeit, dass Kondome und Zahnpasta nicht vegan sind. Noch weiter treiben es Menschen, die Veganern erzählen Sie dürften eine Reihe von Medikamenten nicht nehmen, da diese nicht vegan seien. Jemand der sich daran halten möchte, kann im Krankheitsfall also nicht behandelt werden und sollte ungeschützten Verkehr praktizieren, um auch wirklich vegan zu sein. Dies entspricht nicht der Definition von Veganismus und widerspricht auch dem gesunden Menschenverstand. Jemand der für so eine große Plattform wie die Zeit schreibt, sollte es besser wissen als indirekt solche gefährlichen Empfehlungen abzugeben! Denn nein nicht jeder Jugendliche wird die Möglichkeit haben vegane Kondome oder Zahnpasta zu finden und ich muss hier ja wirklich nicht schreiben, wie wichtig die Benutzung dieser ist!

Richtige Information mit falscher Intention

Dabei könnte es so schön sein, wenn sich endlich mehr Medien mit dem Thema vegan sein beschäftigen. Und nein ich bin grundsätzlich nicht gegen Artikel, die Veganern tatsächlich helfen vegane von nicht-veganen Produkten zu unterscheiden aber es muss Grenzen geben. Ich lese sehr gerne, welche Säfte oder Weine nicht vegan sind, denn das sind reine Genussmittel, ohne die man problemlos auskommt. Aber fangt doch bitte nicht von notwendigen Dingen wie Zahnpasta, Kondomen oder sogar Medikamenten an! Das sind keine gut gemeinten Tipps, sondern bedenkliche Ratschläge. Man merkt bei diesen Artikeln immer sehr schnell, dass sie gar nicht für Veganer geschrieben sind, sondern eben für die Menschen die sich besser fühlen, wenn sie lesen auf was ein Veganer alles verzichten muss. Somit haben diese dann noch einen weiteren Grund sich über diese Lebensweise lustig zu machen, anstatt ihr eigenes Konsumverhalten zu überdenken. Und das ist traurig.

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