Ein tragischer Unfall. Der Tod von vier Menschen in der Berliner Invalidenstraße hat zahlreiche Diskussionen über ein SUV Verbot in Städten ausgelöst. Befürworter sprechen von der größeren Gefahr, die von diesen Fahrzeugen ausgeht. Sie sind viel schwerer, verbrauchen mehr Abgase und die Motorhaube ist höher als beim normalen Auto, sodass es bei Unfällen mit Fußgängern und Fahrradfahrern zu größeren Verletzungen kommen kann. Gegner werfen der anderen Seite vor, den Tod der Menschen zu instrumentalisieren. Regeln gibt es bereits genug und eine weitere Einschränkung von bestimmten Fahrzeugen sei Unsinn. Denn zu viele Menschen sind auf ihr Auto angewiesen. Doch die Frage, auf die wir uns wirklich konzentrieren sollten ist: egal ob SUV oder nicht. Brauchen wir überhaupt Autos in den Innenstädten?
Berlin: Gefühlt an jeder Ecke gibt es eine Haltestelle. Die Ringbahn umrundet die komplette Innenstadt. Die S- und U- Bahnen kommen alle par Minuten und dennoch: Autos, Verkehr, Stau. Dieses Bild sieht man auch in Hamburg, Stuttgart, Köln, Frankfurt… die Liste der Städte mit Verkehrsproblemen ist lang. Feinstaub, Lärm, Chaos. Ich mache die Augen zu und stelle mir eine Stadt ohne Autos vor. Man parkt außerhalb der Innenstadt auf gut angebundenen Park and Ride Parkplätzen und nimmt die Bahn in die Stadt hinein. Wer gerne mobiler ist, das Fahrrad oder den stark kritisierten Elektro-Roller. In der Stadt friedliche Ruhe. Man hört Menschen reden, Vögel zwitschern… Es gibt viel Platz, da die parkenden Autos wegfallen, sodass Cafes und Läden mehr Fläche draußen haben. Und mehr Platz für Pflanzen und Bäume! Fahrräder fahren auf den Straßen. Ich mach die Augen wieder auf. Verkehr, Hupen, Chaos, Autos die auf Bürgersteigen und Fahrradwegen parken. „Survival of the biggest“ und viel zu wenig Platz.
Andere Städte machen´s vor
Ich schaue rüber zu den Fortschrittlichen. Städte, die es bereits vormachen: Denn es gibt da Vorreiter bei denen das Experiment “Autofreie Stadt” durchaus funktioniert hat. Eine der Pioniere der autofreien Städte ist Pontevedra in Spanien. Im Jahr 1999 wurden alle Autos aus der 300000 Quadratmeter großen Innenstadt verbannt. Seitdem wurde die Stadt mehrfach für ihre Lebensqualität ausgezeichnet.
Diese Stadt erlebt seitdem zahlreiche Vorteile. Deutliche Verbesserung der Luftqualität, die Anzahl an Verkehrsunfällen ist stark gesunken, es gibt weniger Lärmbelästigung, die Temperaturen sind im Sommer nicht so erhöht und Staus gehören der Vergangenheit an. Oslo, Kopenhagen, Stockholm: Ebenfalls Städte die Autos immer mehr einschränken. Indirekt werden diese Städte zu einem Ort hoher Lebensqualität, sobald die Autos immer weniger werden. Der Aufenthalt draußen wird zu einem stressfreien Erlebnis. Fußgänger und Fahrradfahrer haben viel mehr Platz und Menschen werden dazu motiviert sich mehr zu bewegen und mehr Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu fahren. Kurz: Die Stadt wird lebenswerter, belebter und auch für Touristen attraktiver.
Bremen soll autofrei werden
Das haben auch einige deutsche Städte gemerkt. Bremen hat ambitionierte Pläne. Die Innenstadt, die schon heute zu großen Teilen aus Fußgängerwegen besteht, soll bis 2030 autofrei werden. Dies hat die zuletzt gewählte Regierung von SPD, Grünen und Linken geplant. Neben dem schrittmäßigen Verbannen von Autos aus dem Stadtkern sind zusätzlich drei Fahrradbrücken geplant, um Stadtteile besser zu verbinden. Der öffentliche Personennahverkehr soll günstiger werden und langfristig soll geprüft werden, ob ein 365-Euro-Ticket oder kostenloser ÖPNV umsetzbar ist. „Diese Investitionen sind klimapolitisch notwendig“, so Ralph Saxe, Verkehrspolitiker der Bremer Grünen.
© Weser Kurier
Doch die Reaktionen der Bürger sind gemischt. Eine Umfrage des Weser Kuriers zeigt: 64,7 % der Menschen ist gegen die autofreie Innenstadt. Aber warum löst die Idee einer autofreien Stadt Panik bei so vielen aus? Das Hauptargument ist immer, dass es zu viele Menschen gibt, die einfach auf das Auto angewiesen sind. Und zugegeben gibt es Vororte und Dörfer in denen es wirklich kaum Öffentliche Verkehrsmittel gibt und die Menschen einfach so weit weg von ihrem Arbeitsplatz leben, dass sie ein Auto brauchen, um von A nach B zu kommen. Aber das heißt nicht, dass diese Autos alle zur Rushhour dann durch die vollgepackten Innenstädte fahren müssen, die eben gut mit Bahnen und Bussen angebunden sind. Es spricht nichts dagegen, dass Auto beim Eintreten in die Stadt stehen zu lassen.
Städte in den Niederlanden und Dänemark machen es schon lange vor. Dort ist es viel einfacher sein Auto in einem der günstigen Park and Ride Parkplätze zu parken, die in der Regel direkt an der Autobahn liegen und im Anschluss bequem mit der Bahn in die Innenstadt zu fahren. Bewohner stellen oftmals ihr Auto dort ab und fahren mit ihrem Fahrrad, welches dort auf dem überdachten Fahrradparkplatz steht weiter. So bleiben die Städte autofrei, die Menschen kommen aber dennoch vorwärts. Vielleicht ist es die Veränderung, die der Deutsche immer so scheut. Er muss aus seiner Komfortzone raus. Sein bequemes Auto verlassen und sich dazu herablassen mit anderen Menschen in eine Bahn zu steigen, oder noch viel schlimmer: in der Kälte Fahrrad fahren! Doch hier darf die Politik ruhig mal durchgreifen und Menschen zu ihrem Glück zwingen. Denn die Erfahrungen aus anderen Städten zeigt: Meistens merken die nach ein paar Monaten, dass ihre Stadt lebenswerter geworden ist.
In Spanien hat man das längst bemerkt: Nachdem Pontevedra ein Erfolg ist sollen weitere Städte folgen: Madrid und Barcelona verfolgen ambitionierte Pläne. In Madrid ist ein Kernbereich der Altstadt nur für Anwohner mit Auto erreichbar. Immer mehr Fußgänger- und verkehrsberuhigte Zonen machen die Stadt attraktiver. Jetzt bleibt nur die Hoffnung, dass auch Deutschland so langsam die Kurve bekommt. Bremen wird es hoffentlich vormachen.
1 Comment